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Rezension zum Hörspiel Weltschattentag

Von Gerhard Ochsenfeld (Newsletter-Abonnent und Mitglied im klub 2.0)

 

Mit dem Hörspiel Weltschattentag wächst das kleinewelttheater über seinen bescheidenen Namen hinaus: Eine Persiflage, die äußerst gelungen auf die Gegenwartskultur münzt – und auf die großen Bühnen unserer Zeit gehört.

 

Sergio Leone hatte einst mit ‚Once Upon a Time in the West‘ szenisch zahllose Highlights damaliger Western zitiert (und persifliert) und damit ein eigenständiges Opus kreiert: Den vielleicht zugleich bemerkenswertesten Western aller Zeiten.

Mit Weltschattentag haben Martina und Thomas Hoeveler Äußerungen und Inszenierungen aus unserem Alltag und unserer Gegenwart zusammengeschnitten und daraus eine hochkarätige Persiflage auf unsere Gesellschaft entwickelt, die der Bauchmuskulatur kaum Pausen gönnt: Nachdem die Intro den Hörer erst einmal auf die Folter der Ungewissheit spannt, jagt bald ein Kalauer den nächsten in so dichter Folge, dass sie sich kaum geordnet hintereinander ablachen lassen. Aller Düsternis zum Trotz. Dabei sind doch all diese Schnipsel, über die man plötzlich schallend lacht, nichts als: real.

 

Es fiele nicht schwer, bei einer Vorwarnzeit von nur 3 Tagen und 5 Stunden das Schattenereignis irgendwie verpennt zu haben. Schließlich ist nur der geringere Teil der Bevölkerung gesegnet mit einer „emphatisch angelegten Genetik“, die Betreffende den Schatten dann schon „hören" ließen, ehe Wissenschaftler:innen die Anomalie zwar nicht analysiert, aber offenbar ihr Eintreffen immerhin zeitlich sehr exakt bestimmt hatten.

 

Von den Spätfolgen des Schattens hingegen sind wir umgeben. Wer noch nicht übergegangen ist ins Wolkenschweben im Neu-Paradies, der/die ist betroffen von den Segnungen therapeutischer Behandlungen, die wohlabgestimmt sind auf individuelle Nöte und gesellschaftliche Zielvorgaben: Das kollektive Wünschen bestimmt die Grenzen des individuellen Wandels. Wo einst oder heute Diktaturen oder Autokratien noch verdächtigt werden, Individuen gewaltsam zu unterwerfen, da lullt in der postmodernen freiheitlichen Gesellschaft längst ein kollektives Wünsch-sich-was in die frei gewählte Assimilation durch Fremdentfaltung ein. Der tiefe Glaube an die Erfahrung seiner Selbst ersetzt der Kreatur das einstige Sehnen nach so etwas wie Individualität. Die Borg lassen grüßen.

 

Während sich einst noch aufwändig und wenig rationell Men in Black darum bemühen mussten, Individuen einzeln den Geist der Erinnerung zu verblitzen, so hat das Schattenereignis all jene kollektiv vermittels eines tief empfundenen Schuldgefühls in die reuige Selbstunterwerfung genötigt, die sich noch schwach daran erinnern können, dass sie einmal Individuen waren.

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